Einleitung
Am Donnerstag, den 10. Februar 2022, hat das Parlament nach zweieinhalb Jahren Gesetzgebungsverfahren das neue Gesetz über das kulturelle Erbe (das „Gesetz“) verabschiedet.
Das Gesetz verfolgt laut seinen Verfassern drei Ziele:
- Zusammenfassung der Bestimmungen zum „kulturellen Erbe“ in einem einzigen Text, der archäologisches Erbe, architektonisches Erbe, bewegliches Erbe und immaterielles Erbe umfasst;
- Umsetzung der Bestimmungen der von Luxemburg ratifizierten internationalen Texte sowie mehrerer europäischer Texte im Bereich des Kulturerbes;
- Modernisierung bestimmter Vorschriften zur Erhaltung und zum Schutz des Kulturerbes.
Das Gesetz ist im Wesentlichen in vier große Themenbereiche gegliedert: archäologisches Erbe, architektonisches Erbe, bewegliches Erbe und immaterielles Erbe, die wir im Folgenden nacheinander betrachten.
Archäologisches Erbe
Der erste Teil des Gesetzes befasst sich mit dem Schutz des archäologischen Erbes, das das Gesetz als „Überreste, bewegliche und unbewegliche Güter und andere Spuren der Existenz der Menschheit in der Vergangenheit, deren Erhaltung und Schutz von nationalem öffentlichem Interesse sind (…) und deren Studium es erlaubt, die Entwicklung des Lebens, die Geschichte der Menschheit und ihre Beziehung zur natürlichen Umwelt nachzuvollziehen“ versteht.
Die wichtigsten Neuerungen des Gesetzes sind die Einführung der Begriffe „archäologisches Beobachtungsgebiet“ und „archäologisches Beobachtungsuntergebiet“ sowie der Grundsatz der „präventiven Archäologie“.
Konkret wurde das Nationale Forschungszentrum für Archäologie, das in Nationales Archäologisches Forschungsinstitut (Institut National de Recherches Archéologiques oder „INRA„) umbenannt wurde, damit beauftragt, eine Karte der Gebiete zu erstellen, in denen bereits Elemente des archäologischen Erbes entdeckt wurden (die „archäologischen Beobachtungsgebiete“), sowie der Gebiete, für die keine Daten vorliegen, die es erlauben, jegliches archäologische Potenzial auszuschließen (die „archäologischen Beobachtungsuntergebiete“).
Die genaue Grundlage für die archäologischen Beobachtungsgebiete und die archäologischen Beobachtungsuntergebiete muss in einer noch ausstehenden großherzoglichen Verordnung festgelegt werden.
In beiden Gebieten müssen alle genehmigungspflichtigen Bau-, Abriss-, Aufschüttungs- und Ausgrabungsarbeiten vom Bauherrn (maître d’ouvrage) spätestens bei der Einreichung des Genehmigungsantrags dem Minister für Kultur (der „Minister“) zur Beurteilung der Auswirkungen auf das archäologische Erbe vorgelegt werden.
Die Prüfung ist in dem archäologischen Beobachtungsgebiet nicht notwendig, wenn es sich um ein Projekt handelt, mit dem ein Teilbebauungsplan (plan d’aménagement particulier) für ein „bestehendes Stadtviertel“ mit einer Grundfläche von weniger als 100 Quadratmetern und einer Tiefe von weniger als 0,25 Metern umgesetzt wird, sowie bei dringenden Infrastrukturarbeiten.
Ebenso wenig ist eine Prüfung erforderlich in archäologischen Beobachtungsuntergebieten, bei Projekten, die einen Teilbebauungsplan für ein „bestehendes Viertel“ mit einer Grundfläche von weniger als 3.000 Quadratmetern und einer Tiefe von weniger als 0,25 Metern oder einen Teilbebauungsplan für ein „bestehendes Viertel“ mit einer Grundfläche von weniger als 10.000 Quadratmetern betreffen, sowie für Projekte zur Sanierung bestehender Straßen.
Wenn der Minister präventive archäologische Maßnahmen anordnet, die üblicherweise nicht länger als sechs Monate dauern dürfen, sieht das Gesetz vor, dass die vertraglichen und administrativen Fristen ab dem Zeitpunkt, an dem der Bauherr die ministerielle Anordnung erhält, bis zum Abschluss der betreffenden Maßnahmen ausgesetzt werden.
Von vornherein ist anzumerken, dass die fast systematische Verpflichtung zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung in jedem Fall zu einer Verlängerung der Genehmigungsverfahren führen kann, während die Commission des Sites et Monuments ihrerseits der Ansicht ist, dass die Methoden der präventiven Archäologie helfen sollen, unvorhergesehene und kostspielige Baustopps zu vermeiden.
Das Gesetz sieht auch vor, dass das INRA von Amts wegen geplante archäologische Maßnahmen einleiten kann, auch wenn der Grundstückseigentümer keinen Antrag auf Genehmigung von Bau-und Abriss-, Aufschüttungs- oder Ausgrabungsarbeiten gestellt hat.
Die Übernahme der anfallenden Kosten hängt von der Art der durchgeführten Maßnahme ab:
- Archäologische Diagnose: 100% zu Lasten des Bauherrn;
- Präventive archäologische Maßnahmen: 50% zu Lasten des Bauherrn, 50% zu Lasten des Staates;
- geplante archäologische Maßnahmen: 100% zu Lasten des Staates.
Trotz der heftigen Kritik aus dem Baugewerbe haben die Verfasser des Gesetzes am Grundsatz der vollständigen oder teilweisen Übernahme der Kosten für diagnostische Maßnahmen oder präventive Ausgrabungen durch den Bauherrn festgehalten.
Es ist offensichtlich, dass die zusätzlichen Kosten, die durch diese neue gesetzliche Verpflichtung entstehen, auf die Endkäufer abgewälzt werden sollen, was unweigerlich zu einem erneuten Anstieg der Immobilienpreise in den betroffenen Gebieten führen wird.
Schließlich sieht das Gesetz vor, dass der Minister bewegliche und unbewegliche Objekte des archäologischen Erbes, die bei Ausgrabungen freigelegt wurden, als nationales Kulturerbe klassifizieren kann – die Folgen werden wir im folgenden Abschnitt erörtern.
Architektonisches Erbe
Der zweite Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf dem Schutz des architektonischen Erbes.
Hier haben die Verfasser des Gesetzes einen Paradigmenwechsel gegenüber der früheren Situation eingeleitet: Das Verfahren zum Schutz von Gebäuden, das bisher für jedes einzelne Gebäude durchgeführt wurde, betrifft künftig eine Gruppe von Gebäuden, die durch großherzogliche Verordnungen von Gemeinde zu Gemeinde geschützt werden.
Im Einzelnen wird das neue Nationale Institut für das architektonische Erbe („Institut national pour le patrimoine architectural – INPA„), das aus dem Amt für Nationale Stätten und Denkmäler („Service des Sites et Monuments Nationaux – SSMN“) hervorgegangen ist und dessen rechtliche Aufgaben durch das Gesetz geändert werden, damit beauftragt, ein „Inventar des architektonischen Erbes für eine oder mehrere Gemeinden zu erstellen, in dem die zum architektonischen Erbe gehörenden Immobilien, die als nationales Kulturerbe eingestuft oder Teil eines geschützten Bereichs von nationalem Interesse sein könnten, genau und mit Hilfe einer geeigneten Dokumentation erfasst werden“.
Diese „geschützten Bereiche von nationalem Interesse“ stellen Gebiete dar, die ein oder mehrere Gebäude umfassen, die als nationales Kulturerbe eingestuft sind, und die einen angemessenen Ausbau der Umgebung der eingestuften Objekte ermöglichen sollen, um den architektonischen, städtebaulichen und landschaftlichen Zusammenhang der Gesamtanlage zu gewährleisten.
Um als Immobilie, die als nationales Kulturerbe eingestuft werden könnte, inventarisiert werden zu können, muss die betreffende Immobilie authentisch sein, d. h. sie muss nur wenige Veränderungen erfahren haben und Merkmale ihrer Epoche behalten haben.
Außerdem muss es in Bezug auf mindestens eines der 14 im Gesetz aufgelisteten Kriterien „repräsentativ und bedeutend“ sein (z. B. Seltenheit, Entstehungszeitraum, Militärgeschichte usw.).
Das Inventar des architektonischen Erbes einer oder mehrerer Gemeinden sowie die Einzelheiten der eventuell für die Schaffung von geschützten Bereichen von nationalem Interesse in Betracht gezogenen Gebiete werden vom Minister nach Zustimmung des Regierungsrats vorgeschlagen.
Das Inventar des architektonischen Erbes sowie gegebenenfalls die Akte über die geschützten Bereiche von nationalem Interesse werden anschließend der/den betroffenen Gemeinde(n) zum Zweck der öffentlichen Anhörung übermittelt und vom Minister in einem der Öffentlichkeit zugänglichen elektronischen Medium veröffentlicht.
Jede eventuelle Beschwerde/Anmerkung gegen das Inventar oder den Vorschlag zur Einrichtung eines geschützten Bereichs von nationalem Interesse muss innerhalb von 45 Tagen nach der Veröffentlichung der Dokumente auf dem im vorstehenden Absatz genannten elektronischen Medium auf elektronischem Wege eingereicht oder an den Bürgermeister und Schöffenrat der betroffenen Gemeinde gerichtet werden, andernfalls ist die Frist abgelaufen.
Die Klassifizierung der im Inventar erfassten Objekte und die Schaffung von geschützten Bereichen von nationalem Interesse erfolgt durch den Erlass einer großherzoglichen Verordnung nach Stellungnahme des Staatsrates.
Der Übergang von einem individuellen Klassifizierungssystem zu einem Verordnungsverfahren ist aus der Sicht der Rechte der Eigentümer der Objekte, deren Klassifizierung vorgesehen ist oder die in einem geschützten Bereich von nationalem Interesse einbezogen sind, äußerst schädlich.
Diese Änderung führt praktisch zur Unanwendbarkeit des Gesetzes vom 1. Dezember 1978 zur Regelung des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens und seiner Durchführungsverordnung, die bislang dem Einzelnen mehrere Verfahrensgarantien zusicherten, darunter insbesondere das Recht, individuell per Einschreiben über die Gründe für die vorgeschlagene Klassifizierung informiert zu werden.
Diese wesentliche Änderung hat umso mehr Auswirkungen, als mit der Veröffentlichung des Inventars des architektonischen Erbes und der eventuellen Akte über die geschützten Bereiche von nationalem Interesse ein Teil der Ergebnisse der Klassifizierung von Amts wegen auf die betroffenen Gebäude angewendet wird.
Die Klassifizierung einer Immobilie bringt zahlreiche Einschränkungen des Eigentumsrechts mit sich:
- Alle allgemeinen Arbeiten an den klassifizierten Gebäuden, mit Ausnahme von rein erhaltenden Arbeiten, sind ohne vorherige Genehmigung des Ministers verboten;
- Ohne vorherige Genehmigung des Ministers darf kein Neubau an die klassifizierte Immobilie angebaut werden;
- Ohne vorherige Genehmigung des Ministers darf keine vertraglich vereinbarte Dienstbarkeit auf dem Grundstück eingerichtet werden.
Im Falle des Verkaufs, der Vermietung oder des Versprechens des Verkaufs oder der Vermietung einer Immobilie, die als nationales Kulturerbe eingestuft oder in einen geschützten Bereich von nationalem Interesse einbezogen wurde, oder der Übertragung eines dinglichen Rechts an einer Immobilie, die als nationales Kulturerbe eingestuft oder in einen geschützten Bereich von nationalem Interesse aufgenommen wurde, muss der Verkäufer in der Übertragungsurkunde oder im Mietvertrag ebenfalls die Art des Schutzes sowie die sich daraus ergebenden rechtlichen Dienstbarkeiten angeben, andernfalls ist die Vereinbarung nichtig.
Da sich die Inventarisierung der verschiedenen als schützenswert eingestuften Gebäude über mehrere Jahre erstrecken wird – die Rede ist von zehn bis fünfzehn Jahren -, haben die Verfasser des Gesetzes schließlich eine Übergangsregelung, das sogenannte „Sicherheitsnetz“, eingeführt, um zu verhindern, dass ein für eine Einstufung in Frage kommendes Objekt abgerissen wird, bevor ein Verzeichnis des architektonischen Erbes durch großherzogliche Verordnung für eine bestimmte Gemeinde bestätigt wurde.
Jeder Eigentümer einer Immobilie, die durch den allgemeinen Bebauungsplan einer Gemeinde als „zu erhaltendes Bauwerk“ eingestuft wurde, ist somit bis zur Verabschiedung eines Inventars des architektonischen Erbes für die besagte Gemeinde verpflichtet, dem Minister jegliche Pläne für einen vollständigen oder teilweisen Abriss oder einen Umbau der Immobilie zu melden.
In diesem Fall verfügt der Minister über eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Mitteilung, um ein individuelles Klassifizierungsverfahren einzuleiten.
Der Minister kann auch dann, wenn ein Objekt nicht als zu erhaltendes Bauwerk in den allgemeinen Bebauungsplan einer Gemeinde aufgenommen wurde, bis zur Verabschiedung eines Inventars des architektonischen Erbes für die betreffende Gemeinde ein Verfahren zur individuellen Klassifizierung einleiten.
Anzumerken ist, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes Gebäude, die bereits gemäß dem Gesetz vom 18. Juli 1983 in seiner geänderten Fassung als Nationaldenkmäler eingestuft wurden, auch nach dem neuen Gesetz als nationales Kulturerbe eingestuft werden, bis eine neue großherzogliche Verordnung über die Einstufung in die Liste der Nationaldenkmäler in Kraft tritt. Ebenso werden die im ergänzenden Inventar eingetragenen Immobilien bis zum Inkrafttreten einer neuen großherzoglichen Verordnung weiterhin als Immobilien behandelt, die im Sinne des alten, jedoch aufgehobenen Gesetzes im ergänzenden Inventar eingetragen sind.
Bewegliches Kulturerbe
Als dritten Punkt reformiert das Gesetz die Regeln, die für den Schutz des beweglichen Kulturerbes gelten.
Die wichtigste Neuerung liegt in der Einführung eines Überführungszertifikats für bestimmte Kategorien von Kulturgütern.
Die endgültige Überführung dieser Güter in einen anderen Mitgliedstaat unterliegt der Ausstellung einer besonderen Bescheinigung durch den Minister, die verweigert wird, wenn das betreffende Gut als nationales Kulturerbe eingestuft ist, Gegenstand eines Verfahrens zur Einstufung als nationales Kulturerbe ist oder illegal nach Luxemburg eingeführt wurde.
Das Gesetz sieht auch eine besondere Regelung für die Rückgabe von Kulturgütern vor, die unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Vertragsstaates der UNESCO-Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut oder eines Vertragsstaates der Haager Konvention vom 14. Mai 1954 über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten stammen.
Schließlich werden im Gesetz die Begriffe „Staatsgarantie“ und „Rückgabegarantie“ eingeführt, die es den Akteuren des luxemburgischen Kulturlebens ermöglichen, vom Staat Garantien zur Deckung von Schäden an von Dritten geliehenen Kulturgütern zu beantragen bzw. ausländischen Behörden zu garantieren, dass die nach Luxemburg verliehenen Kulturgüter an sie zurückgegeben werden und nicht Gegenstand einer Klassifizierungsmaßnahme oder einer Beschlagnahmung werden.
Immaterielles Erbe
Zu guter Letzt sieht das Gesetz vor, den Begriff des immateriellen Kulturerbes, der Traditionen und Know-how umfasst, rechtlich zu verankern.
Ein „nationales Inventar des immateriellen Kulturerbes“ soll erstellt und vom Minister auf dem aktuellen Stand gehalten werden.
Jede Personengruppe oder gemeinnützige Organisation, deren Ziel die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes ist, kann die Aufnahme eines Elements in dieses Inventar beantragen, das sie als Teil ihres immateriellen Kulturerbes betrachtet, an dem sie aktiv beteiligt ist und zu dessen Erhaltung und Weitergabe an heutige und künftige Generationen sie sich verpflichtet.
Sobald die Eintragung in das Inventar erfolgt ist, ergreift der Minister alle geeigneten Maßnahmen, um den Schutz, die Anerkennung, die Achtung und die Förderung des eingetragenen immateriellen Kulturguts zu gewährleisten.
Schlussfolgerung
Als Fazit ist festzuhalten, dass das Gesetz zwar in mehreren Bereichen notwendige Reformen enthält, seine Verabschiedung in der jetzigen Form aber auch eine deutliche Verschlechterung der Rechte von Bürgern bedeutet.
Insbesondere wird die Verpflichtung des Bauherrn, bei bestimmten Bauprojekten präventive archäologische Untersuchungen durchzuführen, die er in den meisten Fällen ganz oder teilweise finanzieren muss, die finanzielle Belastung für den endgültigen Käufer einer Immobilie noch weiter erhöhen und die Fristen für die Realisierung der Projekte verlängern.
Außerdem wurde ein Verordnungsverfahren anstelle eines individuellen Verfahrens für die Einstufung von Immobilien eingeführt, was zur Folge hat, dass die Eigentümer nicht mehr in den Genuss einer individuellen und ausführlichen Information im Rahmen des Klassifizierungsverfahrens kommen.
Abschließend ist festzuhalten, dass die für die Verabschiedung der großherzoglichen Durchführungsverordnungen erforderliche Übergangszeit recht lang sein wird und dass informierte Eigentümer die Umsetzung der im neuen Gesetz vorgesehenen Maßnahmen, die sich auf ihr Eigentum auswirken können, mit Interesse verfolgen werden.
Von Mario DI STEFANO, Managing Partner, und Quentin Martin, Senior Associate.