Wenn Bauarbeiten aufgrund der Nichterfüllung oder der Weigerung eines Vertragspartners, Mängel zu beheben, unterbrochen werden, ist es dann in Ermangelung konkreter vertraglicher Bestimmungen möglich, die Arbeiten durch einen Dritten (oder durch sich selbst) auf Kosten des säumigen Vertragspartners fertigstellen zu lassen bzw. fortzusetzen?

1) Hierzu ist zunächst eine formale schriftliche Inverzugsetzung (mise en demeure) per Einschreiben mit Rückschein an die nichterfüllende Vertragspartei zu richten, in dem diese aufgefordert wird, innerhalb einer festgesetzten Zeitspanne die Mängel zu beseitigen. Der Zeitrahmen sollte angemessen sein. Darüber hinaus sollte die Vertragspartei darauf hingewiesen werden, dass bei Nichterfüllung der Frist das Recht auf Ersatzleistung (faculté de remplacement) in Anspruch genommen wird, d. h., dass ein Dritter beauftragt wird, die Arbeiten auf Kosten der in Verzug befindlichen Partei auszuführen.

Im Falle einer Ablehnung oder einer ausbleibenden Antwort müsste man nach Unternehmen suchen, die die Arbeiten ausführen könnten, wobei die allgemeine Verpflichtung zu berücksichtigen ist, den eigenen Schaden zu minimieren, indem man versucht, die für die Wiederaufnahme der Arbeiten anfallenden Kosten angemessen zu begrenzen. Daher empfiehlt es sich, mehrere Kostenvoranschläge einzuholen, so dass die Kosten nicht angefochten werden können, und nicht etwa überhöhte Preise zu akzeptieren, weil man davon ausgeht, dass sie in jedem Fall zu Lasten der in Verzug befindlichen Partei gehen werden.

2) In einem solchen Fall ist es normalerweise sinnvoll, einen gerichtlichen Beschluss zu erwirken, der es ermöglicht, die Arbeiten auf Kosten der in Verzug befindlichen Partei von einem Dritten ausführen zu lassen (Art. 1144 Zivilgesetzbuch). Einzig in einem Notfall (der nachgewiesen werden muss) kann die Kündigung des Vertrags mit dem Recht auf eine Ersatzleistung einseitig erfolgen, ohne einen mitunter jahrelangen Rechtsstreit führen zu müssen. Man sollte in diesem Fall die in Verzug befindliche Partei über die Beendigung des gesamten oder eines Teils des Vertrags und die Durchführung der Arbeiten durch einen Dritten auf Kosten der in Verzug befindlichen Partei informieren. Zu beachten ist, dass die in Verzug geratene Partei jederzeit vor Gericht gehen kann, um die Begründetheit einer solchen Entscheidung überprüfen zu lassen.

3) Bevor die Arbeiten ausgeführt bzw. wieder aufgenommen werden, ist es wichtig, ein Gutachten eines Sachverständigen und/oder Gerichtsvollziehers einzuholen, mit dem die noch nicht abgeschlossenen oder mangelhaften Arbeiten bzw. die Notwendigkeit und die Kosten der Arbeiten, die aufgrund des Rechts auf eine Ersatzleistung durchgeführt werden, begründet werden können.

Kommt man den oben genannten Punkten nicht nach, läuft man Gefahr, dass derjenige haftbar gemacht wird, der das Recht auf eine Ersatzleistung wahrnimmt.

Wir empfehlen daher, diese Punkte vertraglich zu regeln, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden.


Von Vanessa LOMORO, Counsel – Avocat à la Cour.

Rubrique Droit & Conseil Juridique – NEOMAG 46.